Hochzeitsgelage um 1550 (N. Solis)
Luther bekämpfte aus seiner eigenen Erfahrung heraus, vor allem aber in der grundsätzlichen Einsicht der "Rechtfertigung allein aus Gnade", die Fasten-Gesetzlichkeit, die sich in der spätmittelalterlichen Kirche herausgebildet hatte, - nicht das Fasten an sich.
Das hielt er vielmehr für eine "feine äusserliche Zucht" (Kleiner Katechismus; "gute auch äusserliche Zucht" heisst es in der lateinischen Fassung, ist also nicht abwertend gemeint!).
Die Fastenzeit wollte er lieber "Passionszeit" genannt wissen, da das Bedenken des Leidens Christi im Zentrum zu stehen habe und nicht die menschlichen Antworten darauf. -
(tn's Meinung): Inzwischen spricht man auch in den protestantischen Kirchen, dem Zeitgeist folgend, lieber wieder von "Fastenzeit" - wie bis zu den Zeiten des Pietismus -, wohl um die menschliche Aktion und die ökumenische Gemeinsamkeit zu betonen und den "negativ" klingenden Begriff "Leiden" zu vermeiden.
Auch die "Augsburger Konfession" (die grundlegende Bekenntnisschrift der lutherischen Kirchen) stellt fest: "Gott will, daß wir allezeit mässig und nüchtern leben, und wie die Erfahrung gibt, so helfen dazu nicht viel bestimmte Fasttage" (XV,48).
Confessio Augustana
Immerhin war Fasten an Karfreitag und vor dem Abendmahlsempfang auch im evangelischen Bereich noch bis ins 18. Jahrhundert üblich.
(tn's Meinung): Der Schreibende, freilich in katholischer Umgebung aufgewachsen, erinnert sich sehr daran, daß "man" noch 1960 nüchtern zum Abendmahl ging und in der Karwoche, erst recht an Karfreitag, jedenfalls nicht schlemmte. - Hochzeiten, weltliche Musikdarbietungen und Tanzvergnügen waren in der Passionszeit in kirchlichen Kreisen - und Räumen - absolut undenkbar! - Die schroffe Forderung von Gemeindegliedern, selbst ein Kirchenkaffee nach(!) dem Gottesdienst habe an Abendmahls-Sonntagen zu unterbleiben, wie der Verfasser es noch vor wenigen Jahren im Zürcher Oberland erlebte, mag dagegen schon eher als magisch missdeutende "Re-Katholisierung" zu verstehen sein (Nüchternheitsgebot).
Für die liturgisch-gesamtheitliche Bewegung der Berneuchener ist demzufolge "Beten und Fasten" als "fröhlicher Verzicht" wesentlicher Bestandteil des geistlichen Lebens. So bietet sie - wie die katholischen Klöster - ebenfalls wieder Fastenwochen für die interessierte Allgemeinheit an.
Berneuchen