In Deutschland wird das Gedenk-Datum an die - angebliche - Veröffentlichung von Luthers 95 Thesen über Ablass und Busse am Vorabend des Allerheiligenfestes 1517 in Wittenberg, also am 31. Oktober geknüpft.
Dieser Tag - bzw. der nächstliegende Sonntag - wird also in den deutschen Kirchen der Reformation als besonderer Gedenktag begangen.
In allen "neuen Bundesländern" ist der 31.10. gesetzlicher Feiertag, - wie übrigens auch im lutherisch geprägten Slowenien!
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Auch in Deutschland gab es andere Reformationsgedenktage, die z.T. die Brücke bildeten zum schweizerischen Reformationsfest am 1. Novembersonntag.
Da gab es den Martinstag (11.11.), 1483 Luthers Tauftag am Tag nach seiner Geburt, den Geburtstag selbst, seinen Todestag am 18.2. (1546), aber auch ganz andere Daten, die nichts mit der Person Martin Luther zu tun hatten.
In Braunschweig z.B. gedachte man gemäss Johannes Bugenhagens Kirchenordnung von 1528 jeweils am Sonntag nach Aegidii (1.9.) der Einführung dieser Kirchenordnung - mit einem Dank- und Bitt-Tag.
Die Verschiedenartigkeit der Reformationskirchen machte es schwierig, ein gemeinsames Gedenkdatum zu finden, zumal im Augsburger Religionsfrieden (1555) nur die Lutheraner anerkannt, die Reformierten hingegen zur "Sekte" erklärt wurden.
Erst der reformierte Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz gab im April 1617 in Heilbronn den Anstoss zum gemeinsamen Gedenkdatum. Auf einem Treffen lutherischer und reformierter Reichsstände, die der "Union" angehörten, regte er einen gemeinsamen öffentlichen Jubiläums-Dank-, Bet- und Busstag an, mit dem gegen die kaisertreuen katholischen Stände Front gemacht werden solle.
Es waren also politische Gründe, die zum Reformationsfest führten. Die bekräftige "Consonantz" stellte ausserdem die Reformierten den Lutheranern gleich.
Als Datum wurde - sicher damals als antikatholische Spitze - der 2.11. 1617 vereinbart, der 1. Sonntag im November und zugleich Allerseelen. Luthers Thesenanschlag spielte als Datum keine Rolle.
Die Art der Durchführung blieb den Ständen überlassen, nur ein gemeinsames Gebet sollte überall von den Kanzeln verlesen werden:
"Durch weilandt D.Luther seeligen und andere gotseelige Leut habe Gott das Licht seines Evangeliums hell leuchten lassen. Seiner Allmacht sei dafür lob und danck zu sagen, dabei auch dieselbe inbrünstig anzurufen, daß dieses Licht der Wahrheit noch lenger und biß ans endt der welt unter uns und unseren Nachkommen leuchtet."
In den meisten Städten wurde dieses Jubiläums mit Gottesdiensten an mehreren Tagen gedacht.
Allerdings war damals noch keine jährliche Wiederholung geplant, - was wegen der Kriegszeiten auch schwierig gewesen wäre.
1717 würdigten auch die lutherischen Universitäten neben Luther alle Reformatoren und die "testes veritatis" (Zeugen der Wahrheit) aus der ganzen Kirchengeschichte.
Erst 1817 und 1917 wurden die Gedenkanlässe auf Luther fokussiert - aus nationalistischen Gründen.
Und auch die "Lutherdekade 2007-2017" ist auf Luther verengt - statt aller Reformatoren zu gedenken.
(Nach Andreas Meier, in FAZ 29.10.08).