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Gottfried Keller's Bericht

Freudweiler 1784

Mädchen holen Neujahrsblätter bei der Musikgesellschaft ab, 1784 (Freudweiler).

Gottfried Keller schildert den Brauch am Bächtelistag, wie er zu seiner Zeit gefeiert wurde, sehr farbig und detailliert in einem Brief an Ludmilla Assing vom 2.1.1858:

"Unsere Straßen sind heute ganz mit geputzen Kindern bedeckt. Auf Neujahr geben nämlich die gelehrten, künstlerischen, militärischen, wohltätigen und andere Gesellschaften sogenannte Neujahrsstücke heraus... Diese Hefte läßt man am 2. Januar durch die festlich geputzten Kinder auf den Gesellschaftslokalen abholen, wo einige wohlwollende, freundliche Herren sitzen und aus langen, neuen Tonpfeifen Tabak rauchen, der auf einem silbernen Teller liegt. Die Kinder überbringen in ein Papier gewickelt ein Geldgeschenk für die Gesellschaftskasse (die sämtlichen Päckchen tragen sie in einem niedlichen Körbchen) und erhalten dafür das Neujahrsstück, werden mit Tee, Muskateller und Konfekt bewirtet und dürfen die etwaigen Sammlungen und Raritäten der Gesellschaft besichtigen. So geht's von Haus zu Haus, und die geöffneten Heiligtümer der alten Stadt sind von einer jubelnden Kinderschar angefüllt. Seit ein paar Jahrhunderten besteht der Brauch, da einige Gesellschaften ebenso alt sind wie die Musikgesellschaft, die Gesellschaften der Stadtbibliothek und die Feuerwerkergesellschaft , welch letztere in ihren Neujahrsstücken stets martialische Kriegsgegenstände abhandelt zum Vergnügen der Knaben. Auch bekommen diese den alten Waffensaal zu sehen mit der ehrwürdigen Kriegsbeute aus früheren Jahrhunderten, während auf dem Musiksaale die kleinen Mädchen kokett ein Morgenkonzert anhören und ihre Mütter nachahmen. Wer keine eigenen Kinder hat, beglückt fremde Kinder, die keine oder unvermögende Eltern haben, mit der Sendung. Einzig die derbe Schützengesellschaft (vierhundert Jahre alt) ist so militärisch geblieben, daß sie statt Schrift und Bild ein Pack Kuchen verabreicht und überdies im Geruche steht, die Jungens mit kleinen Räuschen zu versehen, indem sie dieselben aus ihren alten Ehrenpokalen trinken läßt."
(Ges.Briefe, Bern 1951; zit. bei A.Hauser, Das Neue kommt; S. 309).




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