Schiller's Lehrgedicht "Die Glocke":
Anhand des Herstellungsprozesses und des Einsatzes einer Glocke werden das einzelne Menschenleben und die europäische Geschichte abgehandelt - recht konservativ, - und sehr zitatenträchtig.
Schiller
Seinen lateinischen Leitvers, der die Bestimmung von Glocken einerseits zwar bis heute gültig beschreibt, andererseits aber auch zu einer "Protest-Glocke" führte (s.u.), - "Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango" = "die Lebenden rufe ich, die Toten betraure ich, die Blitze breche ich" -, hat Schiller übrigens von einer 1486 gegossenen Glocke, die - weil beschädigt - heute in einem Höfchen an der Querschiff-Südseite des Schaffhauser Münsters aufgestellt ist.
Im Kreuzgang des Schaffhauser Museums zu Allerheiligen dagegen findet sich die erwähnte "Protest-Glocke", so genannt, weil ihr Spruch hyper-reformatorisch - aber doch noch in lateinischer Sprache verfasst - lautete: "... die Blitze breche ich nicht und beklage nicht die vom Tode Dahingerafften. Erz bin ich, das die Lebenden zum Gottesdienst ruft". - Verfasser war 1605 der reformierte Pfarrer Johannes Jezler.
(lt. freundlichem Hinweis von Pfarrer Ulrich Graf, Aarau. Näheres im Artikel der Schaffhauser Nachrichten vom 15.9.03)
Allerheiligen
Nachrichten
Goethe im "Faust":
Mephisto ärgert sich - wie heute manche Neuzuzüger:
"... das verfluchte Bim-Bam-Bimmel...";
Faust wehrt sich gegen die Mahnung des Oster-Geläuts:
"Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube";
dann aber, nach überwundener Selbstmord-Versuchung:
"O tönet fort, ihr süssen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder."
John Donne (17. Jhd.):
"... never send to know for whom the bell tolls, it tolls for thee, as no man is an island ...".
Memento Mori ("bedenke, daß du sterben musst") jedes Glockengeläuts, aufgenommen von E.Hemingway im Titel und Motto seines Romans "Wem die Stunde schlägt":
"Kein Mensch ist eine Insel im Innern seines Ichs, jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Ganzen; wenn ein Brocken Erde von der See weggeschwemmt wird, wird Europa umso kleiner ..., jedes Menschen Tod vermindert mich, weil ich zur Menschheit gehöre. - Darum frage nie, wenn es läutet, wem die Stunde schlägt. Sie schlägt immer für dich!"
Donne
Bell
Dietrich Bonhoeffer:
(aus seinen Aufzeichnungen im Gefängnis Tegel (Juni 1944, "Nächtliche Stimmen in Tegel"; in "Widerstand und Ergebung", vgl. bei "Quellen"):
"... Zwölf kalte, dünne Schläge der Turmuhr
wecken mich.
Kein Klang, keine Wärme in ihnen
bergen und decken mich.
Bellende, böse Hunde um Mitternacht
schrecken mich.
Armseliges Geläute
trennt ein armes Gestern
vom armen Heute.
Ob ein Tag sich zum andern wende,
der nichts Neues, nicht Besseres fände,
als daß er in Kurzem, wie dieser ende, -
was kann mir´s bedeuten?
Ich will die Wende der Zeiten sehen,
wenn leuchtende Zeichen am Nachthimmel stehen,
neue Glocken über die Völker gehen
und läuten und läuten und läuten.
Ich warte auf jene Mitternacht,
in deren schrecklich strahlender Pracht
die Bösen vor Angst vergehen,
die Guten in Freude bestehen. ..."
Georges Simenon: "Die Glocken von Bicêtre" (1963)
Bewegender Roman eines Schwerkranken im Spital, den die Glocken der benachbarten Kirche aus der Bewusstlosigkeit wecken und durch die schlaflos-endlosen Nächte und Tage begleiten, - so gar kein Krimi (und immer noch erhältlich)!
Bicetre