Stimmen zu Lavater
STIMMEN zu Lavater
Aus W. Baumann, Plätze und Brücken der Zürcher Altstadt; 1982, 62ff (bei Schilderung der Peterhofstatt und der "Reblaube"):
" ... «in diesem Hause weilte Goethe mit Herzog Karl August von Weimar bei Joh. Caspar Lavater im Jahre 1779», lesen wir über dem Eingang. Lavater, der grosszügige und offenherzige Gastgeber, war selber ein lebendiger Geist, der das schweigende Erz seiner Mitmenschen wieder erwecken wollte. Bis St. Petersburg, Berlin, Paris und London erscholl sein Ruf. Er glaubte «Aussichten in die Ewigkeit» zu haben, wie sein bekanntestes religiöses Werk hiess. Es machte ihn weltberühmt. Oft drängten sich hundert Personen in seinem Sprechzimmer.
... Wenn Lavater ins Ausland kam, gab es wahre Volksaufläufe. In Bremen wurde er wie ein Heiliger empfangen und ein Schiff auf seinen Namen getauft. Nebenher lief aber auch ein Spottvers durch ganz Deutschland: Wie schön leuchtet von Zürich her der Wunderthäter Lavater. " " ... Mit Ehrfurcht erinnern wir auch an seinen lebenslangen Kampf für den reinen Christenglauben, der sich zwar gelegentlich in allerlei Spintisiererei und Sektiererei verirrte. Eine Renaissance erlebt gegenwärtig [1982 geschrieben! ] sein 1775-1778 verfasstes, vier Foliobände starkes Werk "Physiognomische Fragmente", zu dem Goethe die Kapitel über tierische Schädel und Kiefer beitrug.
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Schon seit 1773 hatte Lavater mit dem Verfasser des Götz von Berlichingen "kongenialischen Kontakt". 1779 schrieb Goethe nach Weimar:
"Die Bekanntschaft von Lavatern ist für den Herzog und mich, was ich gehofft habe, Siegel und oberste Spitze der ganzen Reise und eine Weide aus Himmelsbrod. Lavater ist und bleibt ein einziger Mensch. Solche Wahrheit, Glauben, Liebe, Geduld, Stärcke, Weisheit, Güte, Betriebsamkeit, Ganzheit, Mannigfaltigkeit, Ruhe usw. ist weder in Israel noch unter den Haiden." - Später hiess es dann nur noch: "Ein herzlich guter Mann, aber gewaltigen Täuschungen unterworfen."
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...Ein treuer Gast [eines späteren Wirtes], Willi Bierbaum, ... schrieb ihm den passenden Fassadenspruch:
Als grosse Reblaube bin ich bekannt,
seit Jahrhunderten so benannt.
Hier hat Lavater einst gehaust,
und Goethe hat bei ihm geschmaust.
Karl August ging hier ein und aus
und lobte dieses edle Haus. ...
...Im folgenden Herbst [1796] glaubte Lavater, dass der auferstandene Apostel Johannes - oder war es Paulus? - ihn heimlich und unerkannt im Gottesdienst besucht habe. Er grämte sich monatelang über die mangelnde Qualität seiner Predigt und das Versäumnis, den himmlischen Gast zu begrüssen. ...
«Die Geschichte kennt kaum ein rührenderes Beispiel christlichen Heldentums, als das der kranke Lavater geboten hat. Welches Ende, welcher Anfang eines Jahrhunderts!" [nicht nachgewiesenes Zitat bei Baumann].
... Und Lavaters Schädel? Er scheint heimlich den Weg vieler berühmter Köpfe Europas gegangen zu sein: in ein phrenologisches Kabinett, wo der Schädel des Begründers der modernen Physiognomik und damit der Phrenologie allerdings ein Hauptstück darstellen würde."
Aus G.Schmid, Landeskirche ZH; 1954, S. 57, in der Schilderung wichtiger Prediger der Landeskirche:
"Der überragendste Prediger Zürichs am Ende des 18. Jahrhunderts war Johann Caspar Lavater (1786-1801 Pfarrer am St. Peter). Er hatte als Prediger eine kaum vorstellbare Wirkung. Was bis zu seiner Zeit in Zürich ganz selbstverständlich gewesen war, daß man in der Gemeinde zur Kirche ging, wo man hingehörte, fiel dahin. Aus der ganzen Stadt, ja von überall her strömten ihm die Hörer zu. Lavater ...war ein Prediger eigener Prägung. Wenn man seine Kanzelansprachen liest - sehr viele wurden gedruckt und fanden weiteste Verbreitung -, so kommt einem seine ganze religiöse Glut und seine Christusbegeisterung zum Bewußtsein. Seine Predigten waren von einer großen Eindringlichkeit und Zudringlichkeit, aber sie haben wohl nicht einmal so sehr durch die Außergewöhnlichkeit der Gedanken und den besonderen Gehalt, sondern vor allen Dingen durch die mitreißende Persönlichkeit des Predigers gewirkt. Auf alle Fälle hat Lavater die Predigt der Zürcher Kirche nicht auf die Dauer beeinflußt."
.... S. 226; bei Schilderung des Ablaufs der Synode:
"Die «Allgemeine Einfrage» wurde ... jahrzehntelang nicht mehr benutzt, und als es einmal geschah, erfolgte eine große Aufregung. In der Maisynode 1779 gestattete sich nämlich Johann Caspar Lavater das Wort zu verlangen, und er polemisierte gegen die Übertreibungen des Rationalismus, die eine Entleerung des Evangeliums bedeuteten. Antistes Ulrich erklärte aber, die Sache gehöre nicht daher. Lavater allerdings war nicht der Mann, der sich ohne weiteres zurückbinden ließ. In der folgenden Synode revanchierte er sich dem Antistes gegenüber, indem er ein recht deutliches Bild brauchte: In einer Versammlung von Hirten habe einer von ihnen vor gefährlichen Wölfen gewarnt, die sich in der Gegend umtrieben. Aber die Hirtenversammlung habe befunden: «Das gehört nicht hieher"."
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Aus S.Widmer, Zürich.Kulturgeschichte, Bd. 7, 93:
Für Lavater war Christentum die Erhebung des Menschen aus seiner natürlichen Ohnmacht. Er blieb erfüllt von einem alles vermögenden Glauben. Sein Wunderglaube war bedingungslos. Er glaubte an die Möglichkeit des Gesundbetens. Als Eigenheit galt Lavaters Suche nach dem seiner Meinung nach nicht verstorbenen Apostel Johannes.Sein Streben nach handgreiflichen Beweisen für seine Glaubenswelt ist keineswegs frei von naiven Entgleisungen gewesen. Johann Georg Hamann hat diesen Charakterzug Lavaters zu überwinden versucht, indem er ihm schrieb: «Gewissheit hebt den Glauben wie Gesetz die Gnade auf.» Lavaters Beliebtheit als Pfarrer war beneidensweidenswert. Sie beruhte zunächst auf seiner unermüdlichen Hilfsbereitschaft. Sodann wirkte seine Glaubensfülle unerschöpflich. Zudem war er ein begnadeter Prediger. Seine über ganz Europa sich ausdehnenden persönlichen Kontakte verschafften ihm weite Kenntnisse. Keineswegs frei von Eitelkeit, genoss und förderte er die Zuneigung der Kirchgänger, so dass man schliesslich im St. Peter Platzreservationen einführen musste, damit seine Gemeindeglieder ihren eigenen Pfarrer überhaupt noch zu Gehör bekamen."
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Aus einer Rezension des "Lavater"-Dramas von Fritz Enderlin in der NZZ vom 30.10.1953 (O.B.), in der Lavater "der Magus im Süden" genannt wird:
"... was der Magus im Norden, Johann Georg Hamann, so eindrucksvoll empfindet: "Alles, was der Mensch zu leisten unternimmt, es werde nun durch Tat oder Wort oder sonst hervorgebracht, muß aus sämtlichen vereinigten Kräften entspringen; alles Vereinzelte ist verwerflich." Die vexierende Vielfaltigkeit von Lavaters Wesen und Wirken, der die Verabsolutierung des Teils naturgemäß auf dem Fuße folgte, ist die Hauptursache seines in der Überlieferung oft verzerrten oder schillernden Bildes."
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Aus D.Foppa, Berühmte und vergessene Tote auf Zürichs Friedhöfen; Zürich 2000, S. 88 (J.C.Lavater):
"Von Lavater selbst wird die Anekdote berichtet, er habe während einer Kutschenfahrt einen Mitfahrer aufgrund dessen Aussehens als Mann der Nächstenliebe erkannt, der andere liebevoll an die Hand nehme - in Wahrheit sass er dem Henker von Schaffhausen gegenüber."
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Aus einem Bericht von K.Bartels über "Physiognomische Hexameter Lavaters"; NZZ 29.7.73:
" ... Der dänische Staatminister Graf Andreas Peter von Bernstorff und seine Gemahlin Auguste (die Schwester des Grafen Friedrich von Stolberg)... hatten Lavater eingeladen, nach Kopenhagen zu kommen und an den mystischen Sitzungen teilzunehmen; und Lavater hatte sich schließlich im Frühjahr 1793 mit hochgespannten Erwartungen zu der Reise entschlossen. Aber die Geister schwiegen, und der Evangelist [Johannes] zeigte sich nicht; enttäuscht kehrte Lavater nach Zürich zurück."
Quellen:
Ebeling,G.: Genie des Herzens..., in: Theologie in den Gegensätzen des Lebens, Tübingen 1995, S. 132ff; Baumann,W.: Plätze und Gassen..., Zürich 1982; S.66f; Widmer,S.: Zürich, eine Kulturgeschichte, Bd 7, Zürich 1979, S.92ff; Schmid,G.: Die Evang.-Reformierte Landeskirche des Kantons Zürich, Zürich 1954, S.71 u.ö
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