Symbolik der Kirchtürme
Am Anfang steht wohl der Turmbau zu Babel (Gen 11): die Menschheit will in den Himmel steigen, Gott nahe sein, sein wie Gott ..., oder auch nur die Vertikale betonen, ohne die sie nicht sein kann ("Himmelsleiter", Gen 28; dann als prüfende Mönchs-Leiter in der orthodoxen (und byzantinischen Bild-) Tradition: "Johannes Climacus", die Sündhaften fallen herunter).
Zikkurat und Pyramiden jeder Kultur: Sumerer, Babylonier, Azteken, Majas, Inkas - den Göttern nahe wohnen und opfern. - Ganz anders die Ägypter: Im Tod für das Jenseits bewahrt sein ...
Dann die Obelisken des alten Ägypten, die bis zu den Römern, Napoleon, dem British Empire, Mussolini und Hitler als (phallische?) Zeichen menschlicher (All-)Macht aufgerichtet und geraubt wurden ...
Die römischen Siegessäulen - oft besteigbar, so dass man sich "höher " fühlen kann ...
Die Stupas hinduistischer und buddhistischer Tempel als Verbindung zum Himmlischen und phallische Verehrungszeichen göttlicher und menschlicher Fruchtbarkeit ...
Entsprechend die Ascheren der kanaanäschen Fruchtbarkeitsreligion, von den alttestamentlichen Propheten bekämpft ...
Im Kampf frühchristlicher Missionare gegen Götzen-Säulen und Baum-Heiligtümer fortgesetzt ...
Biblisch bleibt der Turm immer säkular: als Wacht- und Festungsturm; auch metaphorisch dann so gebraucht. - Der Jerusalemer Tempel hat keinen Turm (wie auch Synagogen später allenfalls eine Kuppel trugen, und natürlich niemals Glocken!).
Erstaunlich dann:
Die Campaniles mediterraner Kirchen als Glockenträger; die Minarette islamischer Moscheen als Posten der Gebets-Ausrufer, die weithin hörbar sein mussten ...
Schliesslich die Westwerk- und Vierungs-Türme europäischer Kathedralen, die Doppeltürme der Dome, die Front- oder Seiten-Türme (nicht nur) schweizerischer Dorfkirchen.
Demgegenüber kennen die Orthodoxen nur die Zentralkuppel (allenfalls mit zylindrischem Tambour) über der Vierung, als Abbild des Himmlischen, - und eventuell den technisch bedingten kleinen Giebel-Aufbau als Glockenträger.
Nur die Russisch-Orthodoxen bauten Zwiebeltürme an ihre Kirchen, zum Schutz der Glocken vor dem Winterwetter?
Norwegische Stabkirchen, die den ganzen Kirchenbau als sich aufgipfelnde Turmkonstruktion verstehen ...
Schliesslich sind die säkularen Türme mitzubedenken:
Römische Wachttürme, der mittelalterliche Bergfriet, später: Eiffelturm, Wolkenkratzer, Aussichts- und Fernsehtürme; wer baut den höchsten? (Und wie gefährdet wird er sein, durch Erdbeben und Terroranschläge?).
Der Turm als Zeichen der Wachsamkeit (Jes 5) und der Bewahrtheit, der Keuschheit: "Elfenbeinturm" (HL 8; auch Mariensymbol); Barbara-Turm, Rapunzel-Turm ...
In sehr vielen Heiligenlegenden spielt der Turm als (bewahrendes) Gefängnis eine wesentliche Rolle; aber auch zur Folterung und Tötung: Hungerturm.
Und wieder säkuar: Schuldturm.
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